„Sehen & Verstehen“: Interview mit Wiebke Tasch, styxme edtion. Teil 1

„Sehen & Verstehen“: Interview mit Wiebke Tasch, styxme edtion. Teil 1

Christiane Amini im Interview mit der Redakteurin und freien Autorin Wiebke von styxme zum Thema „Sehen & Verstehen“. Den kompletten Vortrag gibt es auch YouTube zu sehen.  

Wie wir beruflich ein neues Miteinander schaffen

Ich traf Christiane Amini und lernte ihre Geschichte kennen. Ihre Arbeit inspiriert mich, weil sie da ansetzt, was jahrelang in der Arbeitswelt nicht im Fokus der Aufmerksamkeit stand. Sie ermutigt, nach innen zuschauen und zwischen den Zeilen zu lesen.

Christiane arbeit seit 1997 als Mentorin und Erfolgstrainerin in Deutschland. In den 1980er Jahren lebte sie mit ihrer Familie in Teheran und erfuhr Schah, Revolution und Flucht im Iran. Diese Erfahrungen prägen sie bis heute. In ihrer Tätigkeit als Coach verschrieb sie sich der Passion, die innere Schönheit der Menschen freizulegen. Ihre umwälzenden Erfahrungen von einst, verbindet sie mit neuem Blick auf das Zwischenmenschliche. Besonders im Berufsalltag stellt sie Unternehmen und Einzelpersonen Werkzeuge zur Verfügung, um ganz neu „Sehen & Verstehen“ zu können.

Auf der Konferenz #LATC19 in Mannheim 2019 sprach Christiane in einem Vortrag über den inneren Perspektivenwechsel als Chance zum neuen Leben. Im Folgenden finden wir eine kurze Zusammenfassung der Highlights und ein Leserfeedback, zur ganz praktischen Umsetzung ihrer weitreichenden Ideen.

Zu deinem Vortrag „LEAN - Sehen & Verstehen ist der Schlüssel“, auf der #LATC19 in Mannheim, sprachst du über LEAN. Was ist LEAN?

Unter LEAN verstehe ich als Mentorin im Leadership und als Genuine Contact Facilitator nicht etwa die Denkprinzipien aus der schlanken Produktion, wie der Automobilindustrie, sondern viel mehr. Ich arbeite mit den Grundgedanken von LEAN und stimme mit der Vermeidung von Verschwendung jeglicher Art überein. Das heißt, Führungs- und Organisationsstrukturen auf die kleinste ökonomische Einheit, den Menschen zu konzentrieren und diesen in den Mittelpunkt zu stellen.

Wie erlebtest du die 1980er in Teheran?

Schah, Revolution, Krieg und Flucht erfuhr ich während meiner Zeit im Iran. Kulturelle Unterschiede, Herzlichkeit, Großzügigkeit, neue Spielregeln durfte ich kennenlernen. Später bin ich von einer Krise in die Nächste gestürzt. Permanente Veränderungen und Unsicherheiten ließen mich zurück nach Deutschland gehen, wo mir schnell klar wurde, wie sehr mich diese Zeit prägte.
Als ich in Teheran ankam, ohne ein Wort persisch zu sprechen, verstand ich schnell, Menschen zu lesen: Ihre Gesten, die Art, wie sie sich ausdrücken und welche wahren Absichten sich hinter dem äußeren Schein verbergen. Das alles sind wertvolle Werkzeuge im Umgang mit Führungskräften, von denen ich mehr als 300 mitentwickelt habe.

Kleine Handlung, große Wirkungen sind dir sehr wichtig. Wie erreichst du deine Zuhörer?

Zu Beginn meines Vortrages wagte ich ein Experiment und lud die Zuhörer zu einer Reise mit eigener Interaktion ein. Nicht in den Orient, auch nicht per Esel durch steiniges Gelände, wir gehen nach innen und ändern den Blick in eine andere Richtung: Wir nehmen eine neue Perspektive ein und erfahren, warum „Sehen & Verstehen“ so wichtig und wirkungsvoll ist. Sie ist für eine LEAN Arbeitsweise unentbehrlich.

Im Anschluss deines Vortrages gab es viele Fragen und positives Feedback. Die Teilnehmer wollten wissen wie „Sehen & Verstehen“ als Methode funktioniert.

Ja, nach meinem Vortrag hakten einige genauer nach: Wie soll man „Sehen & Verstehen“ implementieren, wenn das Tagesgeschäft drückt? Wie gelingt die Umsetzung bei Unterbesetzung oder in einer großen Organisation? Wie soll das alles reibungslos funktionieren?

Fast ein Jahr später erhielt ich überraschend eine Mail, welche ein inspirierendes Beispiel für die Wirkungsweise des „Sehen & Verstehens“ ist. Der Mensch möchte mit seinen individuellen Fähigkeiten gesehen und verstanden werden. Die Methode macht deutlich, wie Werte gelebt und in einer gelingenden sowie modernen Arbeitswelt integriert werden können.
Das hat mich sehr motiviert und bestärkt.

Was konkret blieben den Teilnehmern noch ein Jahr später so wirkungsvoll im Gedächtnis und wie veränderte sich ihre Arbeitsweise dadurch?

Dazu möchte ich gern Achim Hokenmaier selbst zu Wort kommen lassen.
Achim schrieb mir:
Ich war mit zwei Kollegen aus der Firma auf dem #LATC19. Flo mein direkter Kollege im KAIZEN-Team und Lisa aus dem Bereich Marketing (sie hat am Ende deines Vortrages auch eine Frage an dich gestellt), außerdem Marc ein langjährige Freund der bei sich in der Firma Teamleiter ist und sich im „Agilen“ Umfeld bewegt.

Was genau bewegte ihn als Teilnehmer?

Marc berichtet: Zu Beginn des Vortrags habe ich mich aus zwei Gründen direkt mitgenommen gefühlt. Erzählungen aus dem Leben im Iran werden mit dem Berufsleben verglichen. Das ist erstmal nicht vorstellbar und macht neugierig. Ich habe mich selbst wiedererkannt: Ich bin als Deutscher, mit einer Italienerin verheiratet und kenne die Situation im Urlaub in Süditalien sehr gut. Die Kommunikation ist mangels Sprachkenntnissen unter Umständen sehr anstrengend. Auch wenn ich noch so offen dort aufgenommen wurde, ist eine Verständigung schwer. Und Witze im Nachhinein zu übersetzen funktioniert auch dort nicht.

In welcher Form bestärkt der Vortrag „Sehen & Verstehen“ heute noch die Zuhörer im Berufsleben? Was haben sie mitgenommen?

Marc schildert es so:
Die Erfahrungen, dass das Menschliche im Berufsleben zu kurz kommt und viele eine Maske tragen, kommt mir nur allzu bekannt vor. Die sympathische Art des „Geschichten Erzählens“ und wie diese Geschichten mit Hintergründen/Fakten verbunden wurden, hat mir sehr gefallen und mich bestärkt, dass ich auf dem richtigen Weg bin: Ich arbeite in einer Firma, in der wir viele der beschriebenen Werte Stück für Stück erschaffen, uns offen austauschen, die Rolle des „Vorgesetzten“ ersetzen (ich war einer davon) und uns stark verschlankt haben und dies weiterhin tun werden.

Was ist LEAN im Kontext der Kollegen?

Lisa, Flo und ich haben hier nochmal kurz über deinen Vortrag gesprochen. Uns war Folgendes wichtig:
Im Kontext von Lean muss es zwischenmenschlich passen, da Konflikte eine Form der Verschwendung sind.
Verstehen braucht Zeit. Erst wenn wir verstanden haben, können wir alles erfassen.

Ganz herzlichen Dank!

Marc Pejga arbeitet bei der Fa. TZM in Göppingen. Von uns anderen ist der kurze Absatz am Schluss. Lisa Schühle, Florian Zebrak und ich, Achim Hokenmaier, alle 3 Festool Wendlingen.

Und nun kommt dieser Virus daher und lädt uns nicht ein, sondern fordert den Perspektivwechsel. Die #LATC20 wurde leider abgesagt. Gerne hätten wir uns in Mannheim wieder getroffen und vertiefend ausgetauscht.

Wo siehst du, liebe Christiane LEAN für die Zukunft? Wie kann sie im Beruf integriert werden?

Durch die LEAN Arbeitsweise lernen wir, im Flow zu sein. Wir sind angekommen, wenn wir Sehen und Verstehen. Das beginnt bei der Organisation, die die tieferen Bedürfnisse der Kunden kennt. Das geht weiter mit den Mitarbeitern, die wirklich sehen und verstehen, welche Ziele das Unternehmen nachgeht. Ebenso elementar ist das Erkennen der Führung, welche die Mitarbeiter sieht und versteht, was sie motiviert ebenso wie blockiert.

Wir leben LEAN, wenn wir vielfältig als Bereicherung leben, unsere eigene Potenziale in uns weckten und in anderen hervorrufen. Wir sind im Flow, wenn wir uns erkennen und die anderen Sehen und Verstehen, wie sie sind.

Vielen Dank Christiane für das spannende Interview!

Den ganzen Vortrag gibt es auf YouTube zu sehen.

Das Interview führte die Redakteurin und freie Autorin Wiebke Tasch, styxme edtion © – www.styxme.de